(27.07.2023, 02:28)The_Uncecsorer schrieb: @ Cons221
Da bin ich vollkommen bei dir und deswegen hatte ich ja auch in fast jedem meiner Beiträge, wo es um den Rechtstreit ging und wo ich dazu meine persönliche Meinung abgegeben hatte, immer dazu geschrieben, dass man vor Gericht und auf Hoher See in Gottes Hand ist um man Pferde regelmäßig vor Gerichten kotzen sieht. Ich persönliche traue sowieso keinem Gericht auch nur einen Zentimeter über den Weg und daher wollte ich auch, dass wir die Sache lieber in der außerordentlichen Hauptversammlung zu unseren Gunsten klären anstatt später auf irgendein Gericht zu hoffen. Und deswegen hatte ich ja auch den offenen Tweet an die amerikanischen AMC - Aktionäre verfasst, dass wir lieber, anstatt uns in einem Rechtstreit in einem möglicherweise korrupten Rechtsystem, in welchem man sich scheinbar Unrecht erkaufen kann, verzetteln, Adam Aron (und Sean Goodman) aus unserer Firma, so schnell wie es nur irgendwie geht, entfernen.
Leider hatten wir, wie wir ja auch erst im Nachhinein erfahren haben, so gut wie keine Chance gehabt die außerordentliche Hauptversammlung zu "gewinnen", bei der immensen kriminellen Energie die Seitens des Managments von AMC gegen uns eingesetzt wurde.
Die von dir angesprochene Coster - Entscheidung hatte ich ehrlich gesagt so gar nicht auf den Schirm gehabt bzw. das diese so sehr für uns eine wichtige Rolle spielen könnte. Den Punkt habe ich so, wie bereits erwähnt, gar nicht richtig erfasst. Ehrlich gesagt war ich etwas durch den Wind, weil Frau Zurn einerseits in ihrem letzten Schreiben geschrieben hatte, dass ihre Entscheidung vom Freitag noch nicht in Stein gemeißelt sei, was ich ehrlich gesagt bis dahin etwas anders gesehen hatte, und das sie auch den Antrag, dass die Kläger nun erst mal keinen Zeitplan für den weiteren Rechtstreit sowie die konsolidierte Klage vorlegen müssen, statt gibt. Da kamn mir gleich solche Gedanken wie, ob Frau Zurn über das Wochenende vielleicht irgendwelche Anrufe von "oben" erhalten hätte. Denn wir brauchen uns nichts vor zu machen, hier geht es um Milliarden von Dollar, vermutlich um so viele Milliarden Dollar, dass es eine ganze Branche und somit erneut die weltweiten Finanz- und Wirtschaftsmärkte bedrohen könnte. Zudem haben auch genügend Politiker ihr Geld in Hedgefonds zur Vermehrung "geparkt", genauso wie die ganzen Rentenfonds.
Wie du aber bereits schon korrekt festgestellt hast, dafür das Frau Zurn seit Montag wieder auf der Seite der Beklagten sein soll, hatte sie ihr Schreiben vom Montag ziemlich scharf formuliert, um es mal freundlich auszudrücken und der Beklagten auch ziemlich unangenehme "Hausaufgaben" aufgegeben. Zudem hatte sie ja auch solche Formulierungen wie "sie hat sich gerade einmal die Früchte herausgepickt, die sehr weit unten hängen" und dies könnte einem zwischen den Zeilen assoziieren, dass sowohl die Kläger wie auch die Beklagte schon an sehr einfachen Rechtsfragen jämmerlich scheitern und sie sich somit noch nicht einmal die Mühe machen muss, die "weiter höher hängenden Früchte" sich herauszupicken. Aber an dem Punkt wären wir wieder bei der Thematik, Gerichten zu vertrauen.
Da du scheinbar in die Thematik "Coster" bereits eingearbeitet bist, wäre es daher nett von dir, wenn du hierzu weitere Ausführungen machen könntest, sofern es deine Zeit erlaubt. Denn sehr viele (stille) Mitleser verstehen wohl diesbezüglich nur noch Bahnhof und fragen sich, warum dieser Fall im Extremfall dazu führen könnte, dass die Ausgabe der APE - Aktie deswegen sogar gekippt werden kann.
Ich war leider in der Tat zeitlich etwas angespannt, so dass ich jetzt erst dazu komme zu Coster II etwas zu schreiben:
In der "letter decision" hat Richterin Zurn ja, den Parteien "die niedrig hängenden Früchte" angeboten und
neben der Begründung der Eilbedürftigkeit wurde folgendes aufgegeben:
"Gemeinsame oder getrennte Schriftsätze zu den Auswirkungen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Delaware vom 28. Juni 2023 in der Rechtssache Coster gegen UIP Companies, Inc. auf den vorgeschlagenen Vergleich und die Klage der Kläger wegen Verletzung der Treuepflicht."
Die Kläger sind kurz auf Coster eingegangen und haben im wesentlichen wiederholt, was wohl schon mündlich vorgetragen wurde. Im Endeffekt wird vorgetragen, dass die Coster-Entscheidung sehr speziell sei und es nicht sein könne, dass eine Entscheidung Anwendung fände, die erst nach der Klage erfolgte (so verstehe ich die Argumente zumindest) und das Coster II sowieso nichts ändere. Auch sei das Angebot in dem Vergleich von historischen Ausmaß sei (typische Übertreibung der Amis). Die Kläger versuchen außerdem, darzulegen, dass die Entscheidung bzgl. des Vergleichs unter die business judgment rule fälle (
Umfang des unternehmerischen Entscheidungsspielraums von Geschäftsführern und Vorständen, der nicht gerichtlich überprüfbar ist)
Wenn ich nichts übersehen habe, hat die Beklagte (AMC) keine Stellung zu Coster bezogen, sondern nur zu der angeblichen Eilbedürftigkeit etwas geschrieben.
Nun zu Coster II
Worum ging es:
Marion Coster und Steven Schwat - die beiden Aktionäre von UIP Companies, die jeweils fünfzig Prozent des Unternehmens besaßen - gerieten in eine Sackgasse, nachdem sie mehrmals versucht hatten, Direktoren zu wählen. Als Reaktion auf die festgefahrene Situation bei der Wahl der Direktoren beantragte Coster die Ernennung eines Treuhänders für UIP. Der UIP-Vorstand reagierte daraufhin mit der Ausgabe von Aktien an einen langjährigen Mitarbeiter, der einen Anteil von einem Drittel an der UIP hielt. Die Ausgabe von Aktien verwässerte Costers Eigentumsanteil, beendete die Pattsituation und machte die Treuhänderklage hinfällig. Coster konterte mit einem Antrag an das Delaware Court of Chancery, die Aktienausgabe zu annullieren. Nach der Verhandlung stellte das Gericht fest, dass der Aktienverkauf dem strengsten Standard der gerichtlichen Überprüfung nach Delaware-Recht entsprach - der vollständigen Fairness.
In der Berufungsinstanz kam der Oberste Gerichtshof von Delaware zu dem Schluss, dass das Gericht einen Fehler begangen hatte, als es den Aktienverkauf ausschließlich nach dem Standard der vollständigen Angemessenheit beurteilte, und begründete dies damit, dass die Ausgabe von Aktien während einer umstrittenen Vorstandswahl einen Eingriff in Costers Stimmrechte als Hälfteeigentümer von UIP darstellte, obwohl der Verkaufspreis durchaus angemessen gewesen sein mag. Daher musste das Gericht eine weitere Prüfung vornehmen, um festzustellen, ob der Vorstand die Ausgabe von Aktien aus unlauteren Gründen genehmigt hatte.
Falls nicht, musste das Gericht immer noch entscheiden, ob der Vorstand, selbst wenn er in gutem Glauben handelte, den Aktienverkauf genehmigte, um Costers Einfluss zu vereiteln, gegen die vom Vorstand nominierten Direktoren zu stimmen, und um die Klage der Treuhänder zu entkräften. Um die Aktienausgabe unter diesen Umständen aufrechtzuerhalten, musste der Vorstand eine zwingende Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Stimmrechte von Coster nachweisen. Bei der Rückverweisung stellte das Gericht fest, dass der UIP-Vorstand nicht zu unlauteren Zwecken gehandelt hatte und zwingende Gründe für die Ausgabe von verwässernden Aktien vorweisen konnte. Nach seiner Rückkehr schloss sich der Supreme Court der Einschätzung des Gerichts an und "würdigte dessen Arbeit zur Klärung der zur erneuten Prüfung zurückverwiesenen Fragen".
Anders als es die Kläger sehen wollen, sehe ich durchaus Parallelen zwischen Coster und dem vorliegenden Fall: Bei AMC wurden die Stimmrechte der Aktionäre durch die APE beschnitten, lediglich zu einem anderen Zweck. selbst wenn die Verteilung der APE anfangs an die Aktionäre und nun der "historische" Vergleich als fair angesehen wird.
Kernpunkt ist in der Tat, wie weit die Coster-Entscheidung reicht:
Die Schlüsselfrage ist hier, ob das Gericht mit "Unternehmenswahlen" alle Anfechtungen von Stimmrechtsvollmachten oder nur Anfechtungen von Stimmrechtsvollmachten im Zusammenhang mit der Wahl von Direktoren meinte. Wenn Unocal/Blasius nun tatsächlich so eingeschränkt ist, wird dies wichtige Auswirkungen auf Fälle wie den aktuellen Rechtsstreit um die AMC-APES-Aktien haben, bei dem der AMC-Vorstand angeblich in die Aktionärsabstimmung eingegriffen hat, jedoch nicht im Zusammenhang mit einer Anfechtung der Stimmrechtsvollmacht für die Wahl von Direktoren. Wenn ja, gilt in solchen Fällen nun die Business Judgement Rule als Prüfungsmaßstab?
https://www.professorbainbridge.com/prof...nocal.html
s. auch
https://lawprofessors.typepad.com/busine...asius.html
Der Vortrag der Kläger ist m.E. sehr dünn, insbesondere wurde m.E. zu der seitens der Richterin aufgeworfenen Frage der Verletzung der Treuepflicht keinerlei Stellung bezogen. Der Kläger hofft wohl, dass die Richterin der Auffassung folgt, das Coster nur bei der Wahl von Direktoren anwendbar sei. Die Coster Entscheidung führt den Blasius-Ansatz, der vorsah, dass Direktoren nicht in eine Abstimmung der Aktionäre eingreifen können, nur weil sie glauben, dass die Aktionäre falsch abstimmen werden, in den Unocal über, der nur im Zusammenhang mit der Wahl von Direktoren stand. Das Coster auch nur eine Frage im Zusammenhang mit der Wahl von Direktoren behandelte, musste nicht weiter beantwortet werden, wie weit Unocal/Blasius greift.
Das amerikanische Recht ist sehr kompliziert und sehr schwierig vorauszusehen. Nach meinem Verständnis kann es aber nicht sein, dass ein kompletter "Anwendungsbereich" vollständig beschnitten wird. Da Richterin Zurn auch nach dem mündlichen Vortrag die Frage nochmals aufwirft und auch etwas zur Verletzung der Treuepflicht hören möchte, scheint sie es zumindest ansatzweise ähnlich zu sehen.
Es bleibt spannend ...